Die Demenz ist eine der bedeutendsten und vor allem teuersten Alterserkrankungen. In Deutschland leben z. Zt. ca. eine Million Erkrankte – Tendenz steigend. Daher bedarf es im täglichen Umgang mit dieser Krankheit neuer Therapiekonzepte. Wir haben im Rahmen des Artikels „Ideen 2020 – ein Blick in unsere Zukunft“ einen kurzen Einblick in die Forschung gegeben.
Doch welche innovativen Ansätze werden bereits aktuell in der Geriatrie umgesetzt?
IGTV hat sich mit der ärztlichen Direktorin des Evangelischen Geriatrie Zentrum Berlin (EZGB) Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen in Verbindung gesetzt. Hier finden Sie das Interview:
Mit steigendem Alter erhöht sich auch das Risiko für Stürze. Damit einher geht eine erhöhte Gefahr von Knochenbrüchen und anderen gesundheitlichen Schäden. Inwiefern sind Demenzkranke davon betroffen – kann beispielsweise ein Knochenbruch „vergessen“ werden?
Stürze sind in der Tat eine der größten Gesundheitsgefahren für ältere Menschen. Ungefähr ein Drittel aller Menschen über 65 stürzt mindestens einmal pro Jahr.
Besonders gefürchtet ist dabei die sogenannte Schenkelhalsfraktur, manchmal auch als Oberschenkelhalsbruch bezeichnet.
Für den einzelnen Patienten ist ein Schenkelhalsbruch äußerst schmerzhaft und häufig mit einem langwierigen Heilungsprozess verbunden, an dessen Ende nicht selten eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit steht. Für das Gesundheitssystem als Ganzes sind Schenkelhalsfrakturen darüber hinaus äußerst kostspielig – eine aktuelle Studie geht davon aus, dass die Behandlung und Folgekosten von hüftgelenksnahen Brüchen allein in Deutschland pro Jahr rund 2,5 Milliarden Euro kosten.
Patienten mit Demenz sind dabei besonders gefährdet – aufgrund von Gangunsicherheiten, die häufig mit fortschreitender Demenz einhergehen, leiden sie an einem noch höheren Sturzrisiko als kognitiv gesunde ältere Menschen. Hat ein demenzkranker Patient dann tatsächlich aufgrund eines Sturzes eine Schenkelhalsfraktur erlitten, so ist die Behandlung im Krankenhaus häufig schwierig. Durch die ungewohnte Umgebung und den Stress durch die medizinische Behandlung verschlimmern sich die Symptome der Demenz häufig im Krankenhaus. Das kann dazu führen, dass eine vorgeschriebene Teilbelastung nicht eingehalten wird oder im Extremfall tatsächlich dazu, dass frisch operierte Patienten allein aufstehen wollen, ohne dabei ihren Bruch zu bedenken. Schlimmstenfalls stürzen sie dann erneut und verschlimmern dadurch die Fraktur.
Wie kann man diesen Umständen begegnen? Existieren Ansätze um das Verletzungsrisiko zu dezimieren, bzw. die Erkrankten an ihre Verletzung alltäglich zu erinnern?
Im Evangelischen Geriatriezentrum praktizieren wir seit einigen Jahren sehr erfolgreich eine Methode, die aus dem Forschungsprojekt „FRANZ – Fraktur und Demenz“ hervorgegangen ist. In diesem Forschungsprojekt konnten wir dank der Unterstützung durch die Robert Bosch Stiftung Möglichkeiten erproben, wie sich der Umgang mit demenzkranken Patienten verbessern lässt, die eine Schenkelhalsfraktur erlitten haben.
Eines der Kernelemente ist dabei die Etablierung von festen Bezugspersonen für die Demenzpatienten im Krankenhaus. Da im normalen Krankenhausbetrieb häufig eine Vielzahl von Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten für einen Patienten zuständig sind, fällt es gerade Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten schwer, das nötige Vertrauen aufzubauen.
Wir haben daher eine Altenpflegerin speziell im Umgang mit Demenzpatienten geschult, die eine Schenkelhalsfraktur erlitten haben. Dadurch konnten wir eine deutliche Verbesserung im Behandlungserfolg im Krankenhaus erzielen.
Die ethischste Form einer Krankheit zu begegnen ist die Vermeidung, bzw. die Früherkennung. Welche Formen der Früherkennung sind aktuell etabliert, welche Formen befinden sich in Probe?
Tatsächlich markiert eine verbesserte Diagnostik häufig auch den Beginn für eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten. Eine gesicherte Früherkennung bei dementiellen Erkrankungen erweist sich nach wie vor als schwierig. Am weitesten verbreitet sind momentan neuropsychologische Testverfahren, die in Form von standardisierten Interviews mit Patienten durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Testverfahren sind zuverlässige Mittel, um die Art und den Schweregrad einer Demenz einzuschätzen, aber sie können uns natürlich keinen Aufschluss darüber geben, was genau im Gehirn von demenzkranken Patienten passiert. Dafür braucht es bildgebende Vefahren, beispielsweise die Positronen-Emissions-Tomografie (PET). In diesem Bereich hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. So wurden beispielsweise Tracer-Moleküle entwickelt, mit deren Hilfe man sehr früh die Alzheimer-typischen Ablagerungen im Gehirn sichtbar machen kann.
In einer weiteren Studie, die unter Beteiligung der Forschungsgruppe Geriatrie der Charité am EGZB durchgeführt wird, erproben Wissenschaftler gerade, ob sich bestimmte Antikörper aus dem Blut entfernen lassen, die möglicherweise mit Demenzerkrankungen im Zusammenhang stehen. Dazu wird eine spezielle Form der Apherese angewandt, also eine Form der Blutwäsche. Die ersten Ergebnisse sind dabei äußerst ermutigend!
Wir bedanken uns für das spannende Interview! Wo können sich Interessierte hinwenden?
Auf unserer Website www.egzb.de finden Sie weitere Informationen. Zu aktuellen Forschungsprojekten informiert auch die Website der Forschungsgruppe Geriatrie unter http://geriatrie.charite.de.
Ältere Menschen, die gezielt Beratung zu medizinischen Fragen suchen, können sich darüber hinaus an die Sprechstunde für Altersmedizin der Charité wenden, unter der Telefonnummer 030 – 450 553 169.
Interview: JK Fotos: EZGB /Michael Hagedorn