Ihre Gesundheit

Stress I – was ist das und wie gehe ich damit um?

Unsere heutige Zeit ist sehr schnelllebig, unser Alltag ist geprägt durch viele Termine, lange Arbeitszeiten und in vielen Fällen auch ein erhöhtes Arbeitspensum. Der Umgang mit Kollegen und Kunden wird durch die verkürzte Zeit schwieriger. Dies sind alles Faktoren, die Stress auslösen können und im schlimmsten Fall zu einem Burn-Out führen können.

IGTV wollte mehr über die Problematik Stress und den professionellen Umgang damit erfahren und hat sich mit Melina Macho-Boldt, Leiterein des ReSTreL – Institut (Ressourcenorientierte Stress-  und TraumaLösungen) unterhalten.

Melina Macho-Boldt

Melina Macho-Boldt

Wie kann man Stress definieren und welches sind die Auslöser?

Wenn jemand sagt „Ich hatte heute ganz schön Stress“, dann meint diese Person: “Ich habe mich heute zeitweise überfordert gefühlt und benötige Zeit und Ruhe, um wieder in einen entspannten Zustand zu gelangen.“ Um es ganz wertfrei zu definieren: eine Stressreaktion ist eine ganz natürliche Anpassungs-reaktion eines Organismus auf veränderte Anforderungen seiner Umwelt. Wenn wir also von Stress sprechen, dann meinen wir im Grunde genommen unsere physischen und psychischen Reaktionen auf Belastungen. Was wir als Belastung identifizieren ist stets subjektiv. Es gibt Auslöser, die bei fast jedem eine Stressreaktion auslösen würde, wie zum Beispiel ein Auto, das auf einen zurast. Und das ist prinzipiell gut so, denn die angeborene Stressreaktion ermöglicht uns dem Auto blitzschnell auszuweichen, indem sie dem Körper in Sekundenschnelle die dazu nötige Energie bereitstellt.

Dieser Mechanismus ist demnach überaus wertvoll und sichert dem Menschen seit tausenden von  Jahren das Überleben.

Früher waren diese Bedrohungen das Lebens verhältnismäßig eindeutig, ein Raubtier, das uns auflauerte war ganz klar eine Gefahr. Heute ist es anders. Unser Überleben ist abhängig vom Einkommen, von Vorgesetzten, von Bewertungen (Noten, Stückzahlen), von Bewilligungen, Ämtern, etc. Und so kommt es häufig zur Aktivierung von Stressreaktionen ohne, dass die dadurch bereitgestellte Energie zur Lösung des Problems beitragen kann. Um zu verstehen, wie man mit Stressreaktionen heute sinnvoll umgehen kann, sehen wir es uns die Situation doch genauer an. Wie läuft eine Stressreaktion ab?

bobfoto

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Ein Reiz wird vom Gehirn als Gefahr interpretiert. Das Autonomen Nervensystem (ANS) veranlasst den Organismus Energie zu produzieren und steigert so kurzfristig die Leistungsfähigkeit: Der Blutzufluss zu Muskeln und zum Herzen wird gesteigert, Blutdruck und Herzschlagfrequenz erhöhen sich, die Bronchien erweitern sich, die Atmung wird verstärkt.  Hormone, wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet. Unter anderem sollen diese die gespeicherte chemische Energie wie Fett oder Glykogen mobilisieren und die Glukoseaufnahme in die Körperzellen unterstützen, damit der Muskeltätigkeit ausreichend Energie zur Verfügung steht.

Auf geistiger Ebene führt dies zu einer Einschränkung der Denkleistung: auf einfache Dinge kann man sich noch konzentrieren („Tunneldenken“), komplexe Sachverhalte können hingegen nicht mehr erfasst werden, das geht bis hin zu regelrechten Denkblockaden. Stress löst in uns unterschiedlich starke Gefühle von Angst und Aggression aus, denn unser Überlebensprogramm ist auf Flucht (Angstgefühle) oder Kampf (Aggression, Wutgefühle) ausgerichtet.

Also: Wenn Sie von Ihrem Vorgesetzten in einem barschen Tonfall vor eine komplizierte Denk-Aufgabe unter Zeitdruck gestellt werden, dann setzt dieser  Auslöser eine natürliche Stressreaktion in Gang, die aus biologischer Sicht eine Lösung erschwert. Schreit uns der Chef an, haben wir Stress – wir haben Angst und wollen eigentlich flüchten oder wir kriegen Wut und würden am liebsten mit ihm kämpfen (oder zumindest zurück schreien).  Keine dieser Reaktionen würde auf Dauer zu Erfolg führen und unser Überleben sichern.

Also brauchen wir in solchen Situationen neue Wege, Haltungen und Möglichkeiten mit unseren natürlichen, biologisch bedingten Stressreaktionen umzugehen.

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Wie erkenne ich die Auslöser?

Auslöser, sogenannte Stressoren, können sehr individuell sein. Sie merken genau, wann Sie unter Stress stehen indem Sie auf Ihre Körperempfindungen achten. Es reicht sogar aus, wenn Sie an solche Situationen lediglich denken. Vielleicht merken Sie, dass

 

  • Ihre Atmung schneller wird (leichter  bis mittlerer Stress) oder Sie die Luft anhalten (starker Stress),
  • Ihr Magen nervös wird (leichter bis mittlerer Stress) oder sich zusammenzieht (mittlerer bis starker Stress),
  • Sie die Schultern hochziehen (leichter und starker Stress),
  • Sie sehr schnell reden (leichter bis mittlerer Stress) oder kein Wort herausbringen (mittlerer bis starker Stress)
  • Sie schwitzen (leichter Stress), oder wenn es sie stark fröstelt (sehr starker Stress),
  • u. dgl.

Auf kognitiver Ebene merken Sie, dass Ihre Gedanken schneller werden (leichter bis mittlerer Stress) oder Sie wie betäubt keinen klaren Gedanken mehr fassen können (sehr starker Stress). Auf emotionaler Ebene merken Sie, dass Sie ängstlich werden (Sie wollen flüchten) oder wütend werden (Sie wollen kämpfen) oder Sie innerlich wie erstarrt sind (äußerst starker Stress).

Kann man die Auslöser kontrollieren?

Einiges können wir ändern, manches nicht. Die Frage muss man sich bei jedem einzelnen Stressor stellen, inwiefern dieser beeinflussbar ist. Es gilt allgemein: Wenn ich die äußeren Umstände nicht ändern kann, dann muss ich meinen Umgang damit verändern, mitunter auch die eigene innere Einstellung.

Können Sie ihren Chef ändern? Nein. Können Sie andere Menschen ändern? Nein. Sie können diesen Menschen sagen, wie deren Verhalten bei Ihnen ankommt. Wenn sich dadurch etwas verändert, ist es gut. Ändert sich dadurch nichts? Auch gut – dann müssen Sie etwas ändern!

Welche Handlungsmöglichkeiten haben Sie kurzfristig? Welche Handlungsmöglichkeiten haben Sie langfristig?

Das sind wichtige Fragen, denn Dauerstress führt zu vielen gesundheitlichen Folgen, wie z.B. Muskelhartspann, Schlaf- und Verdauungsstörungen, Burn-out. Die Stärkung der Eigenwahrnehmung und der Selbstregulation spielen eine zentrale Rolle für einen selbstbestimmten Umgang mit Stress und Stressoren.

Anmerkung der Redaktion: Im kommenden Artikel in dieser Rubrik wird Ihnen Frau Melina Macho-Boldt einige Regulationsübungen zum Stressabbau vorstellen und die Übersäuerung des Körpers erläutern. 

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