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EHEC – wie ist der letzte Stand?

Im Zeitraum von Mai bis Juli 2011 gab es in Deutschland eine große Zahl von Erkrankungsfällen, die durch Infektion mit einer aggressiven Form von Bakterien (enterohämorrhagische Escherichia coli -EHEC- des Serotyps O104:H4) verursacht wurden. Auch ihre-gesundheit.tv hatte hierzu im Juni aktuell berichtet und die damals bekannten Zusammenhänge erläutert.

Schwerpunkt der Epidemie war Norddeutschland, aber auch in europäischen Nachbarstaaten traten EHEC-Erkrankungen auf, zumeist bei Personen, die sich zuvor in Deutschland aufgehalten hatten. Die Betroffenen litten an heftigen Durchfallsymptomen, meist mit Blutbeimischung. Das Robert-Koch-Institut (RKI) dokumentierte in dieser Zeit knapp 3.000 Erkrankungsfälle; bei fast 30 Prozent der Erkrankten entwickelte sich zudem ein akut lebensbedrohliches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS – Nierenversagen infolge Verstopfung der feinen Gefäße durch zerfallende Blutbestandteile). Bundesweit waren über 50 Todesfälle zu beklagen, die in gesichertem Zusammenhang mit der EHEC-Epidemie standen. Ende Juli 2011 erklärte das RKI diese Infektionswelle für beendet.

Was war da eigentlich passiert? Nun, große Erkrankungswellen durch EHEC-Bakterien lassen sich zumeist auf durch Fäkalien (z.B. Dünger) verunreinigte Lebensmittel zurückführen, wenn diese vor dem Rohverzehr nicht ausreichend gereinigt oder aber erhitzt wurden. Die genetische Analyse des für die EHEC-Epidemie 2011 verantwortlichen Bakteriums vom Serotyp O104:H4 ergab, dass diese Form eine sehr große Ähnlichkeit mit so genannten enteroaggregativen Escherichia coli – Bakterien (EAEC) aufweist, die beim Menschen zu Durchfallerkrankungen führen. Hieraus schlussfolgert das bundesdeutsche Institut für Risikobewertung (BfR), dass der für das aktuelle Ausbruchsgeschehen verantwortliche Bakterienstamm vom Menschen über die Umwelt verbreitet wurde.

Bakterienkulturen © ggw - Fotolia.com

Bakterienkulturen

Als die Fallzahlen hochschnellten, bestimmte in den ersten Tagen der Infektionswelle zunächst Kompetenzwirrwar und unkoordinierte Krisenkommunikation mit der Folge täglich neuer Panikmeldungen das Geschehen. Anfang Juni 2011 gründete sich dann eine Untersuchungskommission unter dem Arbeitsnamen „Task Force EHEC“ unter Federführung von Experten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), mit dabei waren das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie der schon genannten Institutionen RKI und BfR. Die Task Force hat gute Arbeit geleistet; innerhalb eines Monats gelang es, das ursächliche Lebensmittel, seine Vertriebswege und den Infektionsherd zu identifizieren. Nachdem zunächst fast jedes roh zu verzehrende Gemüse im Verdacht stand, Träger des EHEC-Bakteriums zu sein und vor dem Verzehr von Salat, Gurken und Tomaten offiziell abgeraten wurde, wurden letztlich Keimlinge (Sprossen) aus Bockshornkleesamen, erzeugt in einem Betrieb im niedersächsischen Bienenbüttel, als hochwahrscheinliche Infektionsquelle benannt. Es blieb jedoch unklar, auf welche Weise die Sprossen mit dem EHEC-Bakterium kontaminiert wurden. Erst als in der zweiten Junihälfte 2011 auch in Frankreich EHEC-Infektionen auftraten, die nicht mit einem zuvorigen Deutschland-Besuch der Betroffenen in Verbindung zu bringen waren, richtete die Europäische Kommission einen internationalen Untersuchungsstab ein, dessen Aufgabe es war, nach der gemeinsamen Quelle für den französischen und deutschen Krankheitsausbruch nach Sprossenverzehr zu suchen. Es stellte sich heraus, dass in beiden Ländern für die Anzucht der Sprossen dieselbe Lieferung von Bockshornkleesamen verwendet wurde, die ein deutscher Großhändler Ende 2009 aus Ägypten importiert hatte.

Somit wurden also von den staatlichen Institutionen der besagte niedersächsische Bio-Betrieb bzw. die dort gezogenen Sprossen, welche von aus Ägypten importierten Bockshornkleesamen stammten, als Verursacher benannt. In diese augenscheinlich schlüssige Argumentation passt nur nicht, dass einerseits bei etlichen Sprossenproben, die direkt auf dem verdächtigen Betrieb eingesammelt und untersucht wurden, in keinem Fall das krankheitsauslösende Bakterium nachgewiesen werden konnte – und das andererseits die beschuldigten ägyptischen Bockshornkleesamen in viele weitere Länder exportiert worden sind, ohne dass es zu EHEC-Epedemien gekommen wäre. Dennoch wurde ein Importverbot für ägyptische Bockshornkleesamen verhängt, welches zunächst bis Ende Oktober 2011 gilt.

Die zuständigen Politiker, Behörden und Medien sollten sich mit diesem Erkenntnisstand nun aber keinesfalls zufrieden geben, nach dem Motto: „Gottseidank, Epidemie überstanden, bald redet keiner mehr davon!“ Auch wenn mit dem Buhmann-Verweis auf Samen aus Ägypten das Thema aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, bleibt die Frage, woher die aggressive, mutierte und gegen Antibiotika resistente Version des EHEC-Bakteriums eigentlich kommt. Um Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln, müssen Bakterien lange Zeit intensiv mit diesen Substanzen konfrontiert worden sein – so, wie es etwa in der industriellen Massentierhaltung der Fall ist…

Wir werden das Thema weiter verfolgen und zu gegebener Zeit erneut berichten.

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