Ihre Gesundheit

Erfahrungsbericht Teil 2 – Die Geburt aus der Sicht des Vaters

„3480 gr, 51 cm“ – nackte Zahlen, die ein Neu-Vater dennoch mit einem Triumph aufsagen kann, als hielte er wie in grauen Schulhofzeiten seinem ärgsten Rivalen den M1 vor die Nase (277PS erster Stecher, grins). Diese Lässigkeit ist, das weiß jeder Neu-Vater, nur die Überspielung einer grandiosen Unsicherheit, die einem nach der Geburt des eigenen Kindes umbraust. Denn wie kann man das alles beschreiben, was einen bewegt, wenn neues Leben in das eigene tritt?

Vater und Tochter..

Vater und Tochter..

Mir war zwar klar, dass dieses neue Leben durch meine Mitwirkung entstand, mir wurde aber während der Schwangerschaft und der Geburt auch bewußt, dass ich mit der Zusteuerung der Hälfte der Blaupause zum Bauplan, jedoch wenig Anteil an der eigentlichen Ausführung hatte. Und als ich dann noch erkannte, dass ich nicht in tausend Jahren, weder unter Hypnose, noch mit Hilfe von Schamanen oder Pillen als Mann in den Zustand einer Schwangerschaft gesetzt werden könnte und ich nie die Schmerzen einer Geburt erleben dürfte, habe ich auch das akzeptiert.

Ich nahm die Rolle des Zuarbeiters ein, ohne murren in der Nacht in Drive-Inns Stoff für die Gelüste meiner Frau zu besorgen. Zusprecher in heiklen Situationen („Ich bin sicher Schatz, das Kleid paßt Dir bald wieder“) und sich ernsthaft um den Bau des Nestes zu kümmern. Die Vorbereitungen zur Geburt nahmen dabei natürlich einen besonders gewichtigen Raum ein. Wir sind in Schwangerschaftkurse gegangen (sehr zu empfehlen- man trifft dort Leute in ähnlichen Zuständen) und machten uns auf die Suche nach einer Klinik, die unserem Kind würdig war. Vielleicht ist die Suche nach einer Geburtsstätte für das eigene Kind auch ein Lakmustest der Beziehung, nicht was sie aushält, eher ob man ähnlich tickt. Ich war jedenfalls überzeugt, dass ich mit der richtigen Frau zusammen bin, als wir uns wortlos einig waren, in der von uns ausgesuchten Klinik gebären zu wollen. Es ist einfach enorm wichtig, sich gerade dort wohlzufühlen. Unsere erwählte Geburtsklinik am Havelstrand gibt sich zwar als anthroposophisch aus, aber der Arzt, der uns einführte, versicherte, dass es keine spezielle Art der antroposophischen Geburt gäbe, die Natur bestimmt. Unserem Jungeltern geschuldeten (Un-)sicherheitsgefühl kam hier entgegen, dass in dem kleinen Pavillon mit den Einzelzimmern mit beruhigenden Farben, freundlichen Räumen mit diversen Möglichkeiten der Gebärsituation, absolut sympathischen und kompetenten Hebammen nur eine Schwingtür entfernt ein Krankenhaus mit OP und erfahrenden Einsatzkräften für brenzlige Situationen bereit stand. Selbst die weite Entfernung von unserer damaligen Wohnung schreckte uns nicht ab. Die diversen Male, die wir zumeist nachts zu Fehlalarmen ausrückten, machten mich schnell zum Kenner der Ampelschaltungen auf der Heerstraße, den Beschleunigungswerten unseres alten Seats und ich schaffte von Mal zu Mal eine neue Bestzeit (ich gestehe, ich hätte auch nichts dagegen gehabt, einmal in einer Polizeikontrolle sagen zu dürfen: „Es ist ein Notfall, meine Frau bekommt ein Kind!“).

...und das neue aufregende Leben

...und das neue aufregende Leben

Nachdem wir vierzehn Tage nach dem avisierten Geburtstermin einmal wieder routiniert unsere sieben Sachen packten wurde es tatsächlich ernst. Es war ein früher Dienstagmorgen und die diensthabende Hebamme, nahm uns freundlich in Empfang. (Man reagiert ja bereits auf Kleinigkeiten und wenn man zum x-ten Male immer noch freundlich begrüßt wird, kann man nicht anders, als diese Menschen sympathisch zu finden)

Die sechs Stunden ‚Geburt‘ steuerten langsam ihrem Höhepunkt entgegen und ich als Mann entfernte mich dabei stetig von der Realitätsebene meiner Frau.(Ich habe schnell gemerkt, dass Mitgefühl, so gut empfunden oder gespielt, keine positive Resonanz auslöst, sondern vielmehr Seiten der Partnerin aufdeckten, die man in dieser Art vielleicht nur hier erfahren konnte:“Was quatscht Du jetzt? Du hast mir das doch eingebrockt!“) Die einzige Stütze für den Mann sind hier die erfahrenen Teilnehmer- bei uns die Hebamme und ein in der Eile herbeigeschaffter Anästhesist (durch die Schwingtür), der ihr eine PDA setzte. Als dann nun tatsächlich das Baby den Weg ans Licht antrat, schwirrten mir Sachen durch den Kopf, die neben dem Unglaublichen und Unfassbaren, was gerade geschah, mich auf einmal völlig nüchtern überraschten und mir wurde bewußt, dass das, was ich früher als leere Phrasen abgetan hatte, sich nun zu füllen begannen. Was ist der Sinn unseres Daseins, wenn nicht dies, was hier geschieht? Was ist das für eine Welle von reine, unbedingter Liebe? Und nicht vergessen (das hatte mir mein großer Bruder eingebleut) erst zur Mutter hin die Nebelschnur abklemmen, bevor man sie durchschneidet.

Und dann war sie da: Wunderschöne dreitausendvierhundertachtzig Gramm und unbeschreiblich schöne einundfünzig Zentimeter.

Ja, mein altes Leben war vorbei, aber ein aufregenderes begann.

Text: G.K. aus Berlin  Fotos GK

Was ist eine anthroposophische Geburt?

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