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Zur Geschichte der Lungenheilkunde (Pneumologie) in Deutschland

Die Pneumologie, auch Pulmologie genannt, leitet sich vom lateinischen pulmo „die Lunge“ ab. Als Teilgebiet der Inneren Medizin beschäftigt sich die Pneumologie ausschließlich mit Lungenerkrankungen. Die deutsche Bezeichnung für Pneumologie oder Pulmologie lautet daher auch Lungenheilkunde.

Zu den Aufgabenfeldern der Pneumologie zählt die Prophylaxe, die möglichst frühzeitige Erkennung sowie die konservative und / oder operative Behandlung von Lungenkrankheiten bzw. von Erkrankungen der Bronchien und des Brustfells (Pleura). In der Lungenheilkunde arbeiten Mediziner eng mit Teilgebieten der Chrirurgie (Thoraxchirurgie), der Radiologie (Bestrahlung von Lungentumoren) sowie der Onkologie (Chemotherapie von Lungentumoren) zusammen.

 

menschliche lungen

Krankheitsbilder im Bereich der modernen Pneumologie sind etwa:

  • Akute und chronische Bronchitis
  • Asthma bronchiale
  • chronische obstruktive Lungenerkrankungen (COPD)
  • Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)
  • Lungenembolie
  • Lungenemphysem (Überblähung der Lunge)
  • pulmonale Hypertonie (Bluthochdruck in den Lungenarterien)
  • Pleuritis (Rippenfellentzündung)
  • Pneumonie (Lungenentzündung)
  • Lungentuberkulose
  • Mukoviszidose (zystische Fibrose)
  • Schlafapnoe-Syndrom
  • Legionärskrankheit

Historisch gesehen ist die Entstehung und Entwicklung der Pneumologie über lange Zeit fast ausschließlich die Geschichte der Bekämpfung der „Volksseuche“ Tuberkulose, welche früher auch Schwindsucht oder weiße Pest genannt wurde. Bis ins späte 19. Jahrhundert ist die Tuberkulose eine schwer zu begreifende Krankheit; gerade auch aufgrund der Vielfalt und oftmals Uneindeutigkeit der Symptome, mit welchen sie einher gehen kann, wird sie nicht als eigenständiges Krankheitsbild definiert. Erst mit der Entdeckung des ursächlichen Bakteriums 1882 durch Robert Koch (1843-1910) wird die Ursache der Schwindsucht als Infektionskrankheit offenkundig. 1890 präsentiert Koch einen vermeintlichen Impfstoff gegen die Seuche („Tuberkulin“), der sich jedoch rasch als unwirksam erweist. Als Diagnostikum indes, also als Mittel zum Nachweis einer Tuberkuloseinfektion, findet die Substanz bis heute Verwendung.

Direkt wirkende Heilmittel gegen Tuberkulose stehen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht zur Verfügung. Etwa hundert Jahre früher (1854) wird das erste deutsche Sanatorium für Tuberkulosekranke („Lungenheilstätte“) durch den Arzt Hermann Brehmer (1826–1889) in Görbersdorf / Schlesien gegründet, dem bald weitere derartige Anstalten im ganzen Land folgen, zunächst als private Einrichtungen, die sich nur Besserverdienende leisten können. Später entstehen auch zahlreiche der so genannten „Volksheilstätten“ in gemeinnütziger Trägerschaft. Die üblicherweise monatelange Behandlung in diesen Einrichtungen besteht im Wesentlichen aus einer Liegekur, viel frischer Luft, guter Ernährung und der Verabreichung von Alkoholika (!) „zur allgemeinen Stärkung“. Zu einer vollständigen Genesung führen diese langwierigen Kuraufenthalte indes praktisch nie; allenfalls kann der tödliche Krankheitsverlauf symptomatisch gemildert und verzögert werden. Ergänzt wird die Kurtherapie zum Ende des 19. Jahrhunderts durch die Entwicklung risikoreicher chirurgischer Eingriffe zur Ruhigstellung befallener Lungenbereiche (künstlicher Pneumothorax, Thorakoplastik).

Die Entwicklung wirksamer medikamentöser Therapien gegen Tuberkulose beginnt 1943 mit der Entdeckung des Antibiotikums Streptomycin durch den US-Amerikaner Selman Waksman (1888-1973). Bald zeigt sich, dass das Tuberkulose-Bakterium Resistenzen gegen einen einzelnen Wirkstoff bilden kann. Weitere wirksame Antibiotika werden in den nächsten Jahren entwickelt und in Kombination verabreicht; bis heute besteht die medikamentöse Therapie einer Tuberkuloseinfektion aus der Gabe mehrerer Substanzen, die über mehrere Monate verabreicht werden. Zur vorbeugenden bzw. möglichst frühzeitigen und lückenlosen Entdeckung von Lungentuberkulose wird nach dem 2. Weltkrieg mit der massenhaften Reihen-Röntgenuntersuchung (RRU) der deutschen Bevölkerung in stationären und mobilen „Schirmbildstellen“ begonnen – je nach Bundesland entweder auf freiwilliger Basis oder als Pflichtveranstaltung. Wenngleich hierzulande die Zahl der gemeldeten Tuberkulosefälle seit Jahrzehnten stark rückläufig ist, stellt die Krankheit weltweit nach wie vor eine immense Bedrohung dar: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ging etwa im Jahr 2004 von 9 Millionen Neuerkrankungen sowie 2 Millionen Todesfällen aus.

Im Jahr 1910 gründet sich in München die „Vereinigung der Lungenheilanstaltsärzte“, eine erste pneumologische Fachgesellschaft als Ursprung der heutigen „Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin“ (DGP). Die Institution erfährt in der Folgezeit durch Zusammenschluss, Erweiterung der medizinischen Disziplin sowie politische Umstände einige Umbenennungen, so etwa 1925 zur „Deutschen Tuberkulose Gesellschaft“ und nach der Teilung Deutschlands zur „Deutschen Gesellschaft für Tuberkulose und Lungenkrankheiten“ in der Bundesrepublik (1964) sowie zur „Wissenschaftlichen Tuberkulose-Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik (1957).

Als Folge des Rückgangs an Tuberkulosefällen treten ab den 1960er Jahren andere Krankheitsbilder verstärkt in den Blickpunkt der Pneumologen; die reine Tuberkuloseheilkunde (Phthisiologie) beginnt, sich zur modernen Pneumologie zu wandeln. Das Bronchialkarzinom sowie die Therapie weiterer Lungenkrankheiten wie Asthma und chronische Bronchitis, nicht-tuberkulöse Mykobakteriosen oder Innovationen in der Tho-

raxchirurgie und Lungenfunktionsdiagnostik etc. gewinnen an Gewicht. Viele der klassischen Lungenheil- und Kuranstalten werden zu pneumologischen Fachkliniken erweitert. In der Zeit seit der Deutschen Einheit sehen wir eine massive Ausweitung der pneumologischen Diagnostik mittels der bildgebenden Verfahren MRT („Kernspin“) und der der Computertomographie sowie neuartige, personalisierte Therapieansätze aus Erkenntnissen der Molekularbiologie („Targeted Therapy“). Über 3000 Fachärzte und Forschende sind inzwischen in der DGP organisiert.

 

Text: Alexander Strauch

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