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Zur Geschichte der Zahnmedizin

Zähne bedürfen guter Pflege & gutem Essen © Jessica Schindler - Fotolia.com

Zähne bedürfen guter Pflege & gutem Essen © Jessica Schindler - Fotolia.com

Heute ist das universitäre Studium der Zahnmedizin (ausführlich: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) üblicherweise Voraussetzung, um eine Tätigkeit als Zahnarzt ausüben zu können. Blickt man zurück in die Vergangenheit, war dies lange Zeit völlig anders – das Berufsbild des Zahnarztes war bis ins 18. Jahrhundert hinein gänzlich unbekannt.

Doch der Reihe nach. Der heutige Kenntnisstand der medizinhistorischen Forschung datiert die ältesten Spuren für medizinische Zahnbehandlungen in der Indus-Kultur um 3.000 v. Chr. im Gebiet des heutigen Pakistan. Schon in der Antike galten schöne, vollständige Zähne als Statussymbol bzw. Zeichen für Kraft und Gesundheit und es wurde aus verschiedenen Materialien Zahnersatz angefertigt. Hierbei ging es indes hauptsächlich um ästhetisch-kosmetische Korrekturen für Wohlhabende, an mechanisch funktionierenden Zahnersatz war nicht zu denken. Verschiedene Funde aus dieser Zeit belegen aber, dass bereits an der Behandlung von Zahnfäule (Karies) durch Ausschaben der erkrankten Bereiche und Verfüllung gearbeitet wurde. Auch im literarischen Werk der berühmten Ärzte und Philosophen der griechischen Antike, Aristoteles und Hippokrates, finden sich Abhandlungen über Zähne, nämlich ihren Aufbau und Wachstumsmuster sowie darüber, wie kranke Zähne und Zahnfleisch zu behandeln seien. Ebenso finden sich in der ausführlichsten medizinischen Schrift aus dem alten Ägypten, dem Papyrus Ebers (um 1.600 v. Chr.) Ausführungen zur Behandlung kranker Zähne.

Machen wir einen Zeitensprung ins „finstere“ europäische Mittelalter. Hier waren konservative, also zahnerhaltende Techniken und Maßnahmen noch gänzlich unbekannt. Den Job des Zahn“arztes“ erledigte der örtliche Bader, also der Bademeister im öffentlichen Badehaus nebenbei. Hierbei muss es nach heutigen Maßstäben sehr rustikal und unglaublich schmerzhaft zugegangen sein. Zähneputzen war dem Großteil der Bevölkerung unbekannt, höchstens nach einem üppigen Essen wurden drückende Speisefaserreste mit Zahnhölzchen halbwegs entfernt. Selbst Wohlhabende putzten nur hin und wieder mit grober Bimssteinpaste, um die Zähne optisch aufzuhellen. Nach einer solchen Behandlung mögen zwar die Zähne weißer gewesen sein, der schützende Zahnschmelz war jedoch zerstört. So hatten fast alle Erwachsenen irgendwann kariöse Zähne. Wenn die Fäulnis den Zahnnerv erreichte und der Schmerz unerträglich wurde, ging man zum Bader, der auch Zahnbrecher genannt wurde, um den betreffenden Zahn loszuwerden. Dieser band den Patienten auf seinem Stuhl fest bzw. ließ den Kopf durch einen Helfer festhalten und riss den Zahn ohne jede Betäubung mit grobem Werkzeug heraus – die meist heftige Blutung wurde mit einem glühenden Kauter (Brenneisen) „gestillt“. Dass der Patient bei dieser Behandlung das Bewusstsein verlor, galt als normal.

Ein erstes ausführliches, medizinisch fundiertes Kapitel zur Zahnheilkunde enthält das berühmte Heidelberger Artzney-Buch von 1568, eine Rezept- und Anweisungssammlung des Arztes Christoph Wirsung (1500 – 1571). Das erste bekannte englischsprachige Werk zur Zahnheilkunde  „The operator for the teeth“ stammt vom Gelehrten Charles Allen und wurde 1685 in New York veröffentlicht. In diesem Buch wird u.a. empfohlen, Zähne von Hunden oder Schafen zu Transplantationszwecken zu verwerden. Ebenfalls 1685 erließ der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm das preußische Medizinaledikt, eine Art erste Prüfungsordnung und Anforderungskatalog für künftige Mediziner. Auch hierin waren Bestimmungen zur Ausübung zahnheilkundlicher Tätigkeiten vorhanden, so dass die Zahnarzttätigkeit endlich aus dem Dunstkreis der Bader und Barbiere, Okkultisten und herumreisenden „Heiler“ in den Status eines Studien- bzw. Lehrberufs gehoben wurde.

Im 18. Jahrhundert bringt vor allem der Pariser Mediziner Pierre Fauchard (1678 – 1761) die europäische Zahnmedizin voran. Sein Hauptwerk „Le chirurgien dentiste“ von 1728, das kurz darauf auch auf deutsch erscheint, ist die erste wissenschaftlich vollständige Bearbeitung der Zahnheilkunde überhaupt. Sein deutsches Pendant war der Berliner Arzt Philipp Pfaff (1713 – 1766) mit dem 1756 publizierten Werk „Abhandlungen von den Zähnen und deren Krankheiten“. Pfaff war auch Leibzahnarzt vom Preußenkönig Friedrich II., dem Großen.

Einige Jahre später sorgte der New Yorker Zahnarzt John Greenwood (1760 – 1819) für Aufsehen: Er war u.a. Leibzahnarzt des ersten US-Präsidenten George Washington und fertigt für diesen etliche Teil- und Vollprothesen. Washington hatte das Pech, schon in frühen Jahren fast alle Zähne zu verlieren und war, vor allem wegen seiner öffentlichen Präsenz, dringend auf funktionsfähigen Ersatz angewiesen. Greenwoods Prothesen bestanden aus Substanz der Stoßzähne von Flusspferden, später führt er als erster Zahnersatz aus Porzellan ein. Auch die Erfindung des mechanisch angetriebenen Zahnbohrers wird ihm zugeschrieben, er soll sich diesen um 1790 aus einem alten Spinnrad gebaut haben.

Das 19. Jahrhundert brachte dann eine wahre Explosion an medizinischen Erkenntnissen und Innovationen. Ab etwa 1845 standen mit Äther bzw. Chloroform erste Betäubungsmittel zur Verfügung, um dank Vollnarkose wenigstens den ganz großen Schmerz bei Zahnziehen nicht mehr erleben zu müssen. 1840 wurde das Baltimore College of Dental Surgery gegründet, die erste zahnmedizinische Fakultät der Welt. Die Zahnmedizin, über Jahrtausende mehr Bastelei als Wissenschaft, wurde offiziell zur Profession. Erfunden wurden neuartige Prothesenmaterialien (u.a. Vulkanit – gehärteter Gummi) und Füllstoffe verschiedener Metallgemische (Amalgame). In den 1870er Jahren wurde der erste elektrisch angetriebene Zahnbohrer präsentiert. Dennoch blieb der Fußantrieb durch Treten oder der Antrieb über ein Riemengetriebe (Doriotgestänge) für weitere Jahrzehnte der technische Stand der Dinge. Erst ab Ende der 1950er Jahre verbreitete sich die heute übliche Bohrtechnik mittels Luftantrieb (Turbinenbohrer) oder Direktantrieb durch Mikromotor.

Die Beschreibung der mannigfaltigen Innovationen in der Zahnerhaltung und Prothetik des 20. Jahrhunderts wird zu einem späteren Zeitpunkt mit einem eigenen Artikel erfolgen.

Text: Alexander Strauch

2 Kommentare zu “Zur Geschichte der Zahnmedizin”

  • Wladislaw sagt:

    „Die Beschreibung der mannigfaltigen Innovationen in der Zahnerhaltung und Prothetik des 20. Jahrhunderts wird zu einem späteren Zeitpunkt mit einem eigenen Artikel erfolgen.“

    Guten Tag, mein Name ist Wladislaw. Für einen Schulaufsatz habe ich mir vorgenommen die Geschichte der Zahnmedizin ab 1900 zu verfassen und bin infolgedessen auf Ihre Webseite gestoßen.
    Am Ende dieses Artikels schrieben Sie, dass dazu ein eigener Artikel folgt. Meine Frage ist nun, ob dieser schon verfasst wurde oder demnächst in Planung ist. Mir gefällt die Art, wie Sie schreiben und ich würde gerne Ihren Artikel als Vorbild und „Ideengeber“ benutzen.
    Auch würde ich mich freuen, wenn Sie mir ein paar Links oder Quellen geben könnten, welche Sie zB zum Verfassen dieses Artikels benutzt haben. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
    Hochachtungsvoll Wladislaw

  • astrauch sagt:

    Hallo Vladislaw,

    die angefragte Fortsetzung (Zahnmedizin 20. Jh) erfolgt demnächst. Eine empfehlenswerte Quelle für fachliche Details ist etwa die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde http://www.dgzmk.de oder die Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde der Charité Berlin http://www.charite.de.
    Wir hoffen wir konnten Ihnen weiterhelfen.
    Das IGTV Team

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