Galenus von Pergamon war Naturforscher, Philosoph und vor allem praktizierender Arzt; seine zahlreichen Schriften bildeten den Grundstock für die weitere Entwicklung der europäischen Medizin.
Galenus wird um das Jahr 129 n. Chr. in Pergamon (heute Bergama, Türkei) geboren und von seinem Vater in Mathematik, Naturlehre und in Philosophie nach Aristoteles unterrichtet. Mit etwa 17 Jahren fokussiert sich sein Interesse auf das Wissengebiet der Heilkunde. Er unternimmt Studienreisen durch die oströmischen Provinzen und kommt dabei auch nach Alexandria, jener Stadt, die zu dieser Zeit als Zentrum der Heilkunst gilt. Hier studiert er medizinische Abhandlungen in der dortigen Bibliothek und ist wohl auch Zuschauer bei Sektionen an menschlichen Leichen. Ob Galenus auch selbst Menschen seziert hat, ist nicht überliefert.
Um das Jahr 158 ist Galenus wieder in Pergamon und arbeitet als medizinischer Erstversorger bei Gladiatorenkämpfen und auch während einer antiken Olympiade. Um 161 führt ihn sein Weg nach Rom; hier behandelt er bald auch Mitglieder der kaiserlichen Familie Marc Aurels. Seine praktischen Erfahrungen und philosophischen Erkenntnisse hält er in zahlreichen Abhandlungen fest; nach manchen Quellen sollen dies etwa 400 Werke sein, viele davon sind vom spätantiken Arzt Oreibasios (326 – 403) zusammengefasst worden (etwa 70 Bücher). Im Jahr 168 entsendet Kaiser Marcus Aurelius seinen Leibarzt Galenus nach Aquileia (gelegen im heutigen Norditalien, bei Udine), um kranke römische Soldaten zu behandeln. Nach den Beschreibungen von Galenus dürfte dort eine Pest- oder Pockenepidemie grassiert haben. Im Jahr darauf ist Galenus wieder in Rom tätig: Als Hofarzt bei Commodus, dem Sohn von Kaiser Marc Aurel und wohl auch noch beim späteren Kaiser Septimius Serverus.
In seiner medizinischen Denkweise und Lehre nimmt Galenus Bezug auf das antike Prinzip der Lehre von den Körpersäften (Humoralpathologie), wie es die Ärzteschule um Hippokrates um 400 v. Chr. formuliert hat. Er bringt diesen Denkansatz in eine neue Ordnung, indem er vorbeugende, ursächlich heilende und symptomatische Behandlungswege voneinander abgrenzt. Galenus benennt eine falsche Lebensweise und Ernährung als wichtige Krankheitsursachen. Er beschreibt exakt und reproduzierbar die Zusammensetzung der von ihm angewendeten Medikamente nach deren Wirkungsgrad – von kaum merklich bis heftig.
Darüber hinaus betreibt Galenus detaillierte Forschungen, um genaue Kenntnis über die Anatomie des menschlichen Körpers zu erlangen. Da es zu seiner Zeit noch unüblich und verpönt ist, Menschen zu sezieren, dienen ihm Tiere als Studienobjekte. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse überträgt er auf den Menschen, wobei aus heutiger Sicht auch Falsches aufgezeichnet wird. Zutreffend und bahnbrechend sind jedoch seine Beschreibungen von Funktionen der Nervenstränge sowie des Verdauungstraktes. Auch Anzeichen und Ablauf von Entzündungsvorgängen werden von ihm exakt beschrieben.
Insgesamt gesehen ist das medizinische Werk von Galenus die Zusammenführung der empirischen Medizinlehre (hippokratische Schule) und der anatomisch orientierten, so genannten dogmatischen Tradition aus dem antiken Alexandria. Sein medizinisches Werk hat in der europäischen Lehre lange Zeit bestand; die anatomischen Beschreibungen des Galenus werden erst im 16. Jahrhundert durch die Erkenntnisse des flämischen Arztes Andreas Vesal (1514 – 1564) relativiert, präzisiert und weiter entwickelt. Das Krankheitskonzept der Humoralpathologie (Viersäftelehre) hält sich sogar bis ins 19. Jahrhundert.
Galenus von Pergamon stirbt im Jahr 199 n. Chr. in Rom; andere Quellen lassen ihn sogar bis 216 n. Chr. leben. In der heutigen Zeit lebt sein Name u. a. im Begriff der Galenik weiter, womit die Lehre der Zubereitung von Arzneimitteln bezeichnet wird. Zudem trägt ein seit 1985 verliehener Wissenschaftspreis, mit dem pharmakologische Forschung und innovative Arzneien gewürdigt werden, seinen Namen: Galenus von Pergamon-Preis.
Text: Alexander Strauch