Ihre Gesundheit

Präimplantationsdiagnostik (PID): Was soll nun gesetzlich geregelt werden?

Der Deutsche Bundestag hatte darüber zu befinden, in welchem tatsächlichen und rechtlichen Rahmen genetische Tests an Embryonen erlaubt sind, die im Reagenzglas entstanden sind. In anderen EU-Staaten wie Belgien, Frankreich oder Polen existieren bereits entsprechende Regelungen, weshalb Bundesbürger in EU-Nachbarstaaten ausgewichen sind. Nunmehr sind grundsätzlich solche Tests in Deutschland erlaubt, jedoch mit einigen Differenzierungen, die insbesondere die Art und Weise des Vorgehens der Ärzte betreffen.

Die Abgeordneten befassten sich in einer sehr emotional geführten Debatte mit 3 unterschiedlichen Vorschlägen, die mit inhaltlich unterschiedlich gewichteten Entwürfen den Gebrauch der Präimplantationsdiagnostik (PID) auf einen sehr eng definierten Nutzerkreis eingrenzen sollen (z.B. auf Paare, die an einem bekannten, genetischen Risiko für eine schwere genetisch bedingte Erkrankung oder Behinderung leiden). Die Neuregelung zur PID wurde nötig, weil es bisher an klaren, gesetzlichen Regelungen fehlte und der Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Jahr die Auswahl künstlich befruchteter Eizellen bei Paaren mit einer Veranlagung zu schweren Genschäden erlaubt hatte.

Versicherungsexperte Sandro Valecchi, Sky Finanz AG

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Wem nützt PID?

Mit Hilfe der PID können Krankheiten bei Embryonen entdeckt werden. Mit der Feststellung einer schwere Erkrankung oder eines genetischen Defektes kann der Embryo gewissermaßen aussortiert und nicht in die Gebärmutter der Frau eingesetzt werden. Die Ärzte können mit solchen Untersuchungen insbesondere Krankheiten feststellen, die entweder durch überzählige oder auch zu wenige Chromosomen ausgelöst werden. Hierbei geht es um besonders schwere Erkrankungen, die beispielsweise schwere Behinderungen verursachen und in vielen Fällen nicht heilbar sind (z. B. Down-Syndrom, Bluterkrankheit, Muskelschwund oder schwere Störungen des Stoffwechsels).

Was ist verboten?

Biologische und ethische Schranken (Bioethik) setzen der PID bereits in anderen EU-Staaten Schranken wie das Verbot der Kommerzialisierung (embryonale Stammzellen dürfen nicht zu kommerziellen Zwecken verwandt werden), das Verbot des reproduktiven Klonens und die Verbote, die Forschung und Behandlung (traitement) von Embryonen untersagen, wenn sie eugenischen Charakter haben oder auf eine Selektion von genetischen Eigenschaften gerichtet sind, die nicht pathologisch sind. Ferner gilt das Verbot der Geschlechtswahl. Dieser Artikel verbietet nicht nur die Geschlechtswahl im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik ohne Ausnahme, sondern auch eine Geschlechtswahl durch die Selektion von Spermien. Verbote, bezogen auf Tiere, verhindern, dass menschliche Embryonen auf Tiere übertragen oder Chimären bzw. Hybride erzeugt werden.

Wie verhält es sich mit der Forschung und was ist erlaubt?

Die Forschung an Embryonen wird nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt, wenn die Forschung therapeutische Ziele verfolgt oder Fortschritte in den Erkenntnissen über die Fruchtbarkeit, Sterilität, die Organ- oder Gewebetransplantation, die Prävention oder die Behandlung von Krankheiten verspricht. Die Forschung muss dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Methodik entsprechen und darf nur in zugelassenen Laboratorien durchführt werden. Die Forschung darf nur an Embryonen in den ersten 14 Tagen unter der Leitung eines spezialisierten Arztes oder Naturwissenschaftlers durchgeführt werden. Weitere Voraussetzung ist, dass es keine alternative Forschungsmethode gibt, die vergleichbar wirkungsvoll ist.

©amedes Gruppe

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Die Herstellung von Embryonen in vitro zu Forschungszwecken ist verboten, es sei denn, die Forschung kann nicht an überzähligen Embryonen durchgeführt werden. Die hormonelle Stimulation der Frau (d.h. zum Zweck der Herstellung eines Forschungsembryos) ist erlaubt, wenn die betreffende Frau volljährig ist, schriftlich ihre Zustimmung erteilt hat und wenn die Stimulation wissenschaftlich gerechtfertigt ist.

Wie kann der Gesetzgeber die Forschung kontrollieren?

Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Es gibt eine vorherrschende Meinung, dass eine Ethikkommission im Zusammenwirken mit ärztlichen Gremien, den Universitäten und der Ministerialverwaltung nachgeordneten Fachbehörden diese Kontrollfunktion übernehmen soll, was ja auch Sinn macht. Rechtsgrundlagen gibt es bereits, die sich mit Kontrollaufgaben befassen, wie etwa die Europäische Bioethikkonvention.

Voraussetzung für den Embryonentest ist die vorherige Zustimmung einer Ethikkommission in jedem Einzelfall sowie eine Beratung der Betroffenen. Zudem soll die PID nur in dafür zugelassenen Zentren erfolgen.

Wie verhält es sich mit den Kosten?

Bisher war PID nicht Bestandteil des Leistungskataloges der Krankenkassen und Versicherer. Kosten mussten demnach aus eigener Tasche bezahlt werden. Der BGH hat mit Urteil vom 15.09.2010 (IV ZR 187/07) entschieden, dass bei dem Streit um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlung der Versicherungsnehmer einer privaten Kranken versicherung der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsmäßigen Krankheit genügt, wenn er nachweist, dass bei ihm eine Spermienanomalie vorliegt, die seine Fähigkeit, ein Kind zu zeugen, beeinträchtigt.

©amedes Gruppe

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Mit Inkrafttreten der neuen Rechtsgrundlagen werden die Krankenkassen und die privaten Krankenversicherer den Leistungskatalog erweitern und Kosten, die im Zusammenhang mit der PID anfallen, übernehmen und in das Sozialversicherungssystem integrieren. Konkrete Kosten werden von einem Universitätskrankenhaus in Belgien mit mindestens 1.500,00 € für belgischen Paare veranschlagt, während Paare aus dem Ausland ca. 4.200,00 bis 4.500,00 € investieren müssen. Belgien ist eines der führenden Länder bei der Anwendung der In-Vitro-Fertilisation. Nach Großbritannien und Frankreich war Belgien das dritte Land, in dem 1982 ein Kind nach einer künstlichen Befruchtung geboren wurde.

Für den Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (MdB), ist mit der begrenzten Zulassung der PID die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Für ihn ist ein modifiziertes Embryonenschutzgesetz unausweichlich. Zudem müssten der zu schaffenden Ethikkommission auch Angehörige von Behindertenverbänden angehören und die Kostenfrage sei weiterhin ergebnisoffen: „Warum soll die Allgemeinheit dafür bezahlen, dass jemand seinen Wunsch nach einem vermeintlich gesunden Kind erfüllt bekommt? Nein, die Betroffenen werden zumindest einen Teil bezahlen müssen.“

Was halten Sie selbst von PID?

Sehr wichtig, vor allem für die betroffenen Paare und die medizinische Forschung. Mit einem Stillstand der medizinischen Entwicklung, die dem Menschen dient, wäre niemanden geholfen. Genauso wichtig ist aber auch die Kontrolle. Gerne zitiere ich Kurt Tucholsky: „Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie allein machen.“

gez.

Sandro Valecchi

Versicherungsexperte der SKY FINANZ AG Berlin

*Textverantwortlich i.S.d. Redaktion: Sandro Valecchi. Der Verfasser hat im Bereich der interdisziplinären, fachmedizinischen Publikationen u.a. für das Landesgesundheitsamt Brandenburg mitgewirkt.


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