Der Darmtag 2009 ist eine Initiative der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung – kurz der Gastro Liga.
Am 07.11.09 soll mit verschiedenen Aktionen auf die Bedeutung des Organs „der Darm“ und die möglichen Erkrankungen aufmerksam gemacht werden. Viele Erkrankungen, die den Magen-Darmtrakt betreffen könnten durch eine gute Prävention vermieden werden. Um eine gute Prävention zu ermöglichen ist es entscheidend Kenntnis von den diversen Erkrankungen zu haben. Die Redaktion von „Ihre-Gesundheit.tv“ möchte folgend eine Erkrankung näher darstellen, die allgemein als unbekannt zu bezeichnen ist – Die Divertikel-Krankheit
Wir haben hierzu ein Interview mit einem Mitglied unseres Fachbeirats, Dr. med. Boris Jansen-Winkeln, Oberarzt der Chirurgischen Klinik de Schlosspark Klinik, Berlin geführt:
Was versteht man unter der Divertikel-Krankheit?
Divertikel sind Aussackungen der Darmwand. Diese entstehen an einer potentiellen Schwachstelle im Dickdarm – den Kreuzungsstellen der Längs- mit der Quermuskulatur. Hier tritt meistens auch ein Blutgefäß durch die Darmwand und bildet so eine „Sollbruchstelle“.
Divertikel treten als „Wohlstandserkrankung“ auf, mit 40 Jahren haben ca. 10% der Menschen Divertikel, mit 80 Jahren sind es 70%. Ballaststoffarme Ernährung – unsere sogenannte Wohlstandskost.
Die Divertikel-Krankheit ist eine Entzündung dieser Ausstülpungen. Diese treten vermutlich dann auf, wenn sich Stuhlgang dort einklemmt. Im Stuhl sind Bakterien. Und einklemmen kann sich der Stuhl besonders dann, wenn er fest und zu lange im Darm ist – bei unregelmäßigem und festem Stuhlgang. Die Entzündung der Divertikel tritt nur bei ca. 10-25% aller Divertikelträger auf.
Eine leichte Entzündung äußert sich meist nur mit Schmerzen. Bei einer schwereren Entzündung können diese Divertikel platzen. Das ist dann eine komplizierte und operationspflichtige Situation. Treten immer wieder Episoden von Divertikel – Entzündungen auf – man spricht dann von Schüben – kann es zu einer narbigen Engstelle des Darmes und Stuhlgangsproblemen kommen.
Bei welcher Risikogruppe tritt sie am häufigsten auf?
Wie ich eben schon sagte, ist die Ernährung der Schlüsselfaktor bei den Divertikeln. Die genaue Entstehung ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt. Damit ist die Hautrisikogruppe der Bewohner einer sogenannten Wohlstandsgesellschaft. In anderen Zivilisationen treten die Divertikel mitunter kaum auf. Es gibt sicherlich auch genetisch bedingte Faktoren. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist das Alter, da die Häufigkeit der Divertikel mit dem Alter zunimmt.
Wie wird sie diagnostiziert?
Divertikel an sich machen keine Beschwerden. Diese sind bei der Darmspiegelung zu sehen. Hier werden sie häufig als Zufallsbefund festgestellt.
Erst bei einer Entzündung treten Schmerzen auf. Diese sind zumeist im linken Unterbauch lokalisiert. Diese Lokalisation ist deswegen typisch, da im linken Unterbauch der Anteil des Dickdarmes liegt, der sich zumeist entzündet – das Sigma oder der „S-förmige Darm“. Die leichte Entzündung kann durch die Koloskopie oder eine Computertomografie festgestellt werden. Ist die Entzündung schwerwiegender, ist die Computertomografie am besten geeignet, Veränderungen der Darmwand, einen Durchbruch / Perforation oder eine Abszessbildung festzustellen. Dann ist eine Koloskopie eher gefährlich, weil die Gefahr einer Verletzung des Darmes oder der Perforation mit dem Gerät deutlich erhöht ist.
Wie bei allen Entzündungen ist natürlich auch eine Blutuntersuchung ein Hinweis, hier können im Blut die Entzündungswerte bestimmt werden.
Wenn die Entzündung mit Medikamenten abgeklungen ist, sollte im entzündungsfreien Intervall aber auf jeden Fall die Koloskopie nachgeholt werden.
Welche Therapieformen existieren?
Zentraler Baustein der Therapie ist die Antibiotikabehandlung. Damit können die die Entzündung verursachenden Bakterien bekämpft werden. Meistens ist die Antibiotikabehandlung erfolgreich. 50-70% der Patienten, die einmal einen Divertikulitis-Schub hatten, erleiden keine weiteren akuten Schübe. Kommt es allerdings wieder zu einem erneuten Schub, sollte eine operative Therapie eingeleitet werden. Dabei ist zu beachten, daß als Schub wirklich nur die Episoden gezählt werden, die wirklich eine Antibiotikatherapie notwendig gamcht hatten.
Die Operative Therapie der Wahl besteht in der minimal-invasiven entfernung des Sigmas. – genau des Darmabschnittes, der die meisten Divertikel hat. Minimal invasiv bedeutet, daß 3 kleine Schnitte von 5-10mm auf dem bauch sind und ein Schnitt von ca. 3-4 cm, über den der Darm aus dem Bauch entfernt werden kann. Die Darmenden werden dann mit einem Klammernahtgerät wieder „zusammengetackert“. Diese Operation sollte möglichst im entzündungsfreien Stadium durchgeführt werden, also 6 Wochen nach dem letzten Schub oder auch „früh-elektiv“ nach 7-10 Tagen intensiver Antibiotikatherapie.
Im Falle einer komplitierten Divertikulitis mit Perforation und Komplikationen ist die Operation dringlich notwendig. Auch diese Operation kann zumeist minimal-invasiv durchgeführt werden, hat jedoch mehr Risiken.
Zusammenfassend kann als Indikation zur Operation in Abhängigkeit vom Stadium festgestellt werden.
- Divertikulose – keine OP-Indikation
- Akute unkomplizierte Divertikulitis – von wenigen Ausnahmen abgesehen keine Indikation zur OP. Ausnahmen sind z. B. eine Immunsuppression (z. B. nach Transplantation)
- Akute komplizierte Divertikulitis – hier besteht die Indikation zur OP; entweder früh-elektiv oder als elektive Intervalloperation.
- Rezidivierende Divertikulitis – hier besteht nach dem zweiten Schub die Indikation zur OP. (Wobei hier als Schub eine mit Antibiotika therapiebedürftige Episode, je nach Autor auch mit stationärem Aufenthalt oder Phase der künstlichen Ernährung gewertet wird.) Auch wenn dies nicht eindeutig belegt ist empfehlen einige Literaturstellen bei jungen (unter 45 Jahren) und übergewichtigen Patienten die Operation bereits nach dem ersten Schub.
Wo können sich Interessierte weiter informieren?
Die Divertikulitis ist eine interdisziplinäre Erkrankung. Prinzipiell ist der Hausarzt eine gute Adresse. Ihr Gastroenterologe führt die Darmspiegelung durch und kann sie weiter beraten, ebenso wie ihr Chirurg.
Wir danken Dr. Boris Jansen-Winkeln.
Text: JK Fotos: Jansen-Winkeln