Das Motto des diesjährigen Lungentages lautet:
„Neues von der Klimabörse: Hochkonjunktur für Allergien“
Eine der größten Belastungen für den Atemapparat, also die Lungen und die Atemwege, stellen Allergien dar. Allergien können im schlimmsten Fall zu Asthma bronchiale führen. Der Klimawechsel hat einen starken Einfluss auf die Vegetation und somit auch den Pollenflug.
Was dies konkret für den Allergiker bedeutet, hat IGTV den Pneumologen Dr. Oliver Noga gefragt.
Allergien haben in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme der Häufigkeit gezeigt; man schätzt, dass mittlerweile bis zu 30% der Bevölkerung mit Allergien kämpfen. Daher wird im Zusammenhang mit Allergien auch von der „Seuche des 21. Jahrhunderts“ gesprochen. Allergien stellen auch einen entscheidenden Risikofaktor für die Entstehung eines Asthma bronchiale dar. Hier muss man ebenfalls von einem hohen Anteil an betroffenen Personen ausgehen: Über 5 Prozent der Bevölkerung gelten als Asthmatiker. Bei Kindern stellt das Asthma mittlerweile sogar die häufigste chronische Erkrankung dar, mit bis zu 20 % betroffener Kinder und Jugendlicher. Der Klimawandel bedingt auch eine Verschiebung des Pollenflugzeitraumes. So wurde beobachtet, dass es zu einem früheren Beginn des Haselpollenfluges kommt, teilweise setzt hier die Bedrohung für betroffene Personen bereits im Dezember ein. Weiterhin finden sich auch neue, aggressive Allergene (Ambrosia) im Spätsommer, was insgesamt zu einer Streckung des Zeitraums, in dem Beschwerden auftreten können, führt. Bei einem Fortschreiten dieser Entwicklung muss man in naher Zukunft mit ganzjährigem Pollenflug rechnen.
Welche anderen Allergene sind für die Entstehung eines Asthma bronchiale von Bedeutung?
Neben saisonalen Allergenen wie Pollen gibt es auch Allergene, die ganzjährig in unserem Umfeld vorkommen. Hierzu zählen am häufigsten Hausstaubmilben, aber auch Haustiere wie Hunde und Katzen. Nachgeordnet sind hier natürlich auch Schimmelpilze zu nennen.
Wie kann der Betroffene am besten mit diesen veränderten Umständen umgehen?
Die effektivste Behandlung in der Allergologie ist das Meiden von Allergenen. Dies ist für einige Allergene, etwa Haustiere, auch zum Teil möglich, insbesondere für Pollen aber nahezu nicht realisierbar.
Ein wichtiger Punkt im Umgang mit Allergien ist die kompetente Beratung und Testung auf entsprechende Substanzen. Hier sollte ein ausgewiesener Allergologe zu Rate gezogen werden. Wichtig ist hier, dass entsprechende Tests die geschilderten Symptome bestätigen und dass nicht durch die fehlerhafte Interpretation von positiven Testergebnissen dem Betroffenen eine falsche Diagnose gestellt wird.
Ist das Meiden von Allergenen nicht möglich, sollte eine adäquate Therapie eingeleitet werden. Wichtig ist hierbei, die Beschwerden, die zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität führen können, nicht zu bagatellisieren. Das dauerhafte Ertragen von Symptomen ist nicht sinnvoll, da es zu einer weiteren Verschlechterung der Symptome und im weiteren Verlauf auch zum Entstehen eines Asthma bronchiale kommen kann.
Einen ursächlichen Therapieansatz verspricht die Hyposensibilisierung, welche neben einer guten Reduktion der Beschwerden auch langfristige Effekte hat. So ist sie in der Lage, die Ausweitung der Allergie auf weitere Substanzen sowie die Entstehung eines Asthma bronchiale effektiv zu vermeiden.
Was ist bei einer Hyposensibilisierung zu beachten?
Wichtig ist, dass sie von einem in dieser Therapie erfahrenen Allergologen durchgeführt wird, welcher in der Lage ist, aus den vorhandenen Beschwerden und Testergebnissen ein effektives Medikament zur Hyposensibilisierung auszuwählen. Weiterhin muss ein entsprechendes Behandlungsprotokoll geführt werden, das heißt, die Behandlung sollte über einen eher längeren Behandlungszeitraum konsequent durchgeführt werden. Weiterhin ist hier sehr wichtig, dass mögliche Nebenwirkungen erkannt werden können und das der Behandler auch Erfahrung und Übung im Umgang mit diesen seltenen aber potentiell bedrohlichen Nebenwirkungen hat.
Ein weiterer gefährdender Aspekt für die Lungen ist das Rauchen. Seit einiger Zeit ist das Rauchen in der Öffentlichkeit in Deutschland praktisch überall verboten. Können Sie durch Erfahrungen in Ihrer Praxis bestätigen, dass sich das Rauchverhalten in Deutschland verändert hat?
Das Rauchen ist der Hauptrisikofaktor einer weiteren ernsten Lungenerkrankung, der COPD (chronic obstructive pulmonary disease, zu deutsch: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, umgangssprachlich Raucherlunge, d.Red.). Auch diese Erkrankung zeigt eine zunehmende Häufigkeit und ist mittlerweile in Deutschland die vierthäufigste Todesursache! Somit stellt die Rauchprävention einen entscheidenden Faktor dar, um diese Krankheit zu vermeiden. Daher sind Maßnahmen zur Rauchvermeidung in der Öffentlichkeit absolut zu begrüßen und sollten auch im Verständnis Aller zu einer normalen angemessenen Umgangsweise in Anbetracht der enormen Gefährlichkeit des Rauchens gehören. Aus der praktischen Erfahrung heraus haben die gesetzlichen Regelungen zum Nichtraucherschutz zumindest zu einem Umdenken geführt. War vor einigen Jahren das Rauchen noch akzeptierte Normalität, ist es heute eher weniger akzeptiert. Viele Raucher haben aufgrund von Beschränkungen am Arbeitsplatz und auch der gesunkenen gesellschaftlichen Akzeptanz ihren Nikotinkonsum zumindest reduziert. Das Rauchen in Gegenwart von anderen Personen und insbesonders Kindern gilt heute mehr als noch vor wenigen Jahren als inakzeptables Verhalten. Dies ist ein wichtiger Punkt, da es ja gilt, insbesonders Kinder nicht dem Passivrauch auszusetzen.
In diesem Sinne sind die vorhandenen Programme sicherlich sinnvoll und sollten noch weiter ausgebaut werden. Wichtig wären zusätzlich Programme zur Rauchentwöhnung durch weitere Anreize. Aber auch neue medikamentöse Unterstützungsmaßnahmen wären sicherlich sinnvoll, um den Ausstieg aus der Nikotinsucht zu vereinfachen – denn das Potential an Personen, die das Rauchen einstellen wollen, ist im Rahmen der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen doch deutlich größer geworden.
Interview: JK