Wenn ein Fußballer eine mehrmonatige Zwangspause einlegen muss oder der Skiurlaub ein vorzeitiges Ende nimmt, hat dies häufig mit einem Bänderriss im Kniegelenk zu tun. Dort treffen die Auflageflächen des Oberschenkelknochens (Femur) und des Schienbeinknochens (Tibia) aufeinander; sie werden durch verschiedene Bänder in der vorgesehenen Position gehalten und stabilisiert. Neben den Außenbändern (Seitenbändern) und dem Kniescheibenband sind gerade auch die zwei innen liegenden Kreuzbänder (vorderes und hinteres Kreuzband) für die richtige Funktion des Kniegelenks verantwortlich.
Ein Einriss oder vollständiger Riss eines Kreuzbands entsteht praktisch nie aus dem normalen Bewegungsablauf des Kniegelenks heraus sondern ist die direkte Folge einer Gewalteinwirkung von außen, bei der die Reißfestigkeit des Bandes überschritten wird. Dies bedeutet indes nicht, dass hierzu immer das Kniegelenk selbst einen heftigen Schlag oder Stoß erhalten muss; viel häufiger sind Hebelkräfte, die von den Knochen durch plötzliche, unvorhergesehene Richtungswechsel beim Laufen oder Springen auf das Kniegelenk übertragen werden, der Grund für den Riss eines Kreuzbands.
Betrachtet man alle klinisch relevanten Knieverletzungen, sind Bänderrisse mit über 40 Prozent die häufigsten Läsionen, innerhalb der Kategorie „Bänder“ kommt wiederum die Verletzung des vorderen Kreuzbands mit etwa 45 Prozent am häufigsten vor, gefolgt vom Riss des Innenbands. Eine Verletzung des hinteren Kreuzbands ist mit etwa 4 Prozent aller Fälle wesentlich seltener. In der Praxis dominieren Mehrfachverletzungen des Kniegelenks, typisch ist etwa die Kombination einer Läsion von vorderem Kreuzband, Innenband und Innenmeniskus (innerer Teil der Dämpfungsscheiben im Kniegelenk). Hierfür steht im internationalen medizinischen Sprachgebrauch der englische Begriff unhappy triade.
Eine derartige Verletzung des Kniegelenks wird schnell durch Schmerzen, Schwellung und Einschränkung der Beweglichkeit spürbar, meist begleitet von einem großen Hämathros (Bluterguss) im Gelenk. Der Unfallarzt oder Orthopäde kann den Schaden oft schon durch äußerliches Betrachten, Abtasten und verschiedene Bewegungstests eingrenzen, sicher diagnostiziert wird ein. Kreuzbandriss dann durch eine Röntgen- oder MRT-Aufnahme des Kniegelenks. Die klassische Innenbetrachtung (Spiegelung) des Kniegelenks wird heutzutage meist nicht mehr zur Diagnose, sondern zur operativen Behandlung der Verletzung(en) eingesetzt.
Ein Kreuzbandriss kann nicht unbehandelt bleiben, da es langfristig zu schweren degenerativen Schäden (Arthrose) des Kniegelenks mit irreversibler Bewegungseinschränkung kommen kann. Im Gegensatz zum Riss des Außen- oder Innenbandes wächst ein gerissenes Kreuzband nicht wieder von selbst zusammen. Im Einzelfall kann es dennoch möglich sein, auf eine Operation des gerissenen Bandes zu verzichten. Geduldige, körperlich wenig aktive Menschen können durch gezielte Maßnahmen zum Aufbau der Oberschenkelmuskulatur (Physiotherapie), Kältetherapie und konsequentes Entlasten des Kniegelenks durch das Verwenden von Gehhilfen und, wann immer möglich, Hochlagern des Beins über einen längeren Zeitraum (12 bis 16 Wochen) eine Besserung auf konservativem Wege erreichen, also das lädierte Kniegelenk „von außen“ stabilisieren. Ob eine solche konservative Behandlung in Frage kommt, muss individuell mit dem behandelnden Arzt geklärt werden.
Die operative Behandlung eines Kreuzbandrisses besteht wegen schlechter Prognose zumeist nicht in der Reparatur (Annähen) des gerissenen Bandes, sondern im Ersatz durch ein Transplantat eines Sehnenstückes, entnommen entweder aus der Sehne zwischen Kniescheibe und Schienbein (Patellasehne) oder vom inneren, hinteren Bereich des Oberschenkels (Semitendinosussehne). Manchmal kommt auch Fremdmaterial, durch Organspende von Verstorbenen gewonnen, zum Einsatz; hier besteht allerdings die Gefahr von Abstoßungsreaktionen, so dass die ganze OP letztlich vergeblich wird. Das Operationsverfahren selbst läuft ähnlich einer Spiegelung (Arthroskopie) des Kniegelenks ab. Auch hier schließt sich eine Nachbehandlung über mehrere Wochen an, bei der das operierte Knie erst gar nicht und dann, unterstützt durch Physiotherapie, schrittweise wieder belastet werden kann. Komplikationen im Heilungsprozess (Thrombosen, Gelenkinfektionen, Blutungen, Nervenschädigungen) kommen glücklicherweise nur selten vor.