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Epilepsie

Als Epilepsie wird eine zumeist chronisch verlaufende neurologische Störung bezeichnet, die durch anfallsartige Phasen von übermäßiger nervlicher Erregungsbildung im Gehirn charakterisiert ist. Dieses plötzliche „Gewitter im Gehirn“ äußert sich typischerweise in Krampfanfällen. Der Begriff Epilepsie entstammt dem Griechischen epilepsis = Anfall, Übergriff. In den meisten Fällen betrifft ein solche Funktionsstörung (epileptischer Anfall) das zentrale Nervensystem und hat eine Dauer von nicht mehr als zwei Minuten. In Deutschland sind gegenwärtig etwa 400.000 Fälle von dauerhaft zu behandelnder (aktiver) Epilepsie bekannt. Die meisten Neuerkrankungen treten im Kindes- und Jugendalter auf. Die Zahl derjenigen, die eine nachweisbar erhöhte Veranlagung für Krampfanfälle haben, ist wesentlich höher; der größte Teil dieser Gruppe weiß von der Veranlagung nichts, da es bei ihnen niemals oder nur unter besonderen Umständen (etwa hohes Fieber) zu einem begrenzten Krampfanfall kommt.

Die genauen Zusammenhänge, die letztlich zum Auftreten epileptischer Anfälle führen, sind noch nicht vollständig bekannt. Sicher ist aber, dass beim Krankheitsbild der Epilepsie einerseits eine Übererregbarkeit (Hyperexzitabilität) von Nervenzellen und andererseits eine abnormale gleichzeitige elektrische Aktivität von größeren Nervenzellverbänden (so genannte neuronale Netze) besteht. Die gängige These ist, dass ein Ungleichgewicht von Erregung und Hemmung in diesen neuronalen Netzen die Krampfanfälle entstehen lässt.

In der medizinischen Praxis wird zwischen symptomatischen Epilepsien (als Folge einer Hirnschädigung, Fehlbildung des Gehirns oder einer anderen Grunderkrankung, beispielsweise Stoffwechselstörungen oder Hirntumore) und idiopathischen Epilepsien, also Erkrankungen ohne feststellbare Ursache unterschieden. Für die letztgenannte Form lässt sich aber in vielen Fällen eine genetische Veranlagung diagnostizieren.

Eine weitere Unterscheidung wird hinsichtlich des Ursprungs und Umfangs der neuronalen Entladungen gemacht: Der Mediziner spricht von begrenzten (fokalen) und generalisierten Anfällen. Der fokale Anfall hat seinen Ursprung in einer bestimmten (begrenzten) Hirnregion und in der Mehrzahl der Fälle eine weniger schwere Symptomatik: Kribbeln und Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen, Schmerzen, Seh- und Hörstörungen, Übelkeit, Schweißausbrüche, zumeist kein Bewusstseinsverlust. Sind hingegen weite Hirnregionen von neuronalen Entladungen betroffen, liegt ein generalisierter Anfall mit Sturz, schweren Muskelkrämpfen und Zuckungen, Bewusstlosigkeit mit Gedächtnnisverlust dieser Phase, unkontrolliertem Urinabgang und Biss in die Zunge vor.

Um eine Epilepsie zu diagnostizieren und deren Art und Genese richtig einordnen zu können, sind mehrere Untersuchungsverfahren erforderlich. Wichtig ist zunächst, die beim Anfall auftretenden Symptome in ihrer Art, Schwere und Reihenfolge genau zu beschreiben. Da der Betroffene selbst hierzu wegen der zeitweisen Bewusstlosigkeit nicht oder nur begrenzt in der Lage ist, muss dies von Dritten, die den Anfall in Gänze beobachten konnten, geleistet werden. Manche Patienten können typische Vorauszeichen (Aura) eines kommenden Anfalls benennen, wie Kribbeln oder ein aufsteigendes Unwohlsein aus der Magengegend. Das Gehirn wird mit den modernen bildgebenden Verfahren (MRT, ggfs. CT) gescannt, um krankhafte Veränderungen zu erkennen. Ergänzt wird dies, wenn erforderlich, durch die Angiographie (Darstellung von Blutgefäßen im Röntgenbild mittels Kontrastmittel) sowie durch die Hirnstrommessung (Elektroenzephalographie, EEG), mit der die krankhaften Entladungen von Nervenzellen des Gehirns direkt gemessen, lokalisiert und dokumentiert werden können, auch über längere Zeiträume (24 h).

Bei der Behandlung von Epilepsie ist zu unterscheiden zwischen Sofortmaßnahmen bei einem akuten Anfall und vorbeugenden Maßnahmen (Anfallsprophylaxe), um möglichst eine völlige Anfallsfreiheit bei geringsten Nebenwirkungen zu erreichen. Da ein Anfall üblicherweise binnen weniger Minuten vorbei ist, geht es bei der Soforthilfe darum, den Betroffenen vor Stürzen oder gefährlichen Gegenständen / Möbelkanten in seiner Nähe zu schützen, beengende Kleidung zu lockern und die Atemwege frei zu halten (ggfs. Zahnprothese oder Erbrochenes entfernen). Ist der Betroffene nach wenigen Minuten wieder bei Bewusstsein, sollte man beruhigend auf ihn einwirken, etwaige Verletzungen versorgen und ggfs. auch an eine Decke gegen Unterkühlung denken. Wenn ein epileptischer Anfall allerdings länger als fünf Minuten dauert und / oder der Betroffene das Bewusstsein nicht wieder erlangt bzw. weiter verwirrt bleibt ist dies ein Notfall (Status epilepticus), der intensivmedizinisch behandelt werden muss – Notarzt rufen!

Ergeben die Untersuchungen, dass mit wiederholten Anfällen zu rechnen ist, wird eine medikamentöse Therapie zur Vorbeugung eingeleitet: Bewährte Wirkstoffe sind hier etwa Carbamazepin, Clonazepam oder Valproinsäure, die u.a. die Erregbarkeit der betroffenen Nervenregionen herabsetzen. Bei günstigem Verlauf (normalisiertes EEG, Anfallsfreiheit) besteht die Möglichkeit, die medikamentöse Therapie nach einigen Jahren ausschleichend zu beenden. In bestimmten, schweren Fällen von fokalen (begrenzten) Epilepsien kommt nach Ausschöpfung aller pharmazeutischen Optionen auch ein chirurgischer Eingriff in Betracht, wobei das anfallauslösende Hirnareal (wenige Millimeter) entfernt wird. Dies ist mit zahlreichen Risiken verbunden und muss daher für jeden Einzelfall vorher genau geprüft und abgewogen werden. Ferner besteht die Möglichkeit der elektrischen Stimulation des Vagusnervs mittels eines implantierten Stimulators, der vom Betroffenen bei Vorgefühl eines Anfalls selbst aktiviert werden kann.

Text: Alexander Strauch

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